Klageinitiative zur Durchsetzung der Kostenerstattung der Tabakentwöhnung innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)

Auf Initiative des Wissenschaftlichen Aktionskreises Tabakentwöhnung (WAT e. V.) hat sich eine Initiative zur Durchsetzung der Erstattungspflicht für die Tabakentwöhnung gebildet.

Dieser Schritt wurde notwendig, nachdem die Umsetzung der Erstattung aufgrund von 2 Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschuss an der Beanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit gescheitert ist und ein Offener Brief an das Bundesministerium für Gesundheit unbeantwortet blieb.

Die Historie in Stichworten:

  • 2008 und 2012 beschloss das Plenum des Gemeinsamen Bundesausschusses, dass Patienten, die im DMP COPD eingeschlossen sind (Beschluss 2008) bzw. im DMP Asthma bronchiale eingeschrieben sind (Beschluss 2012) das Angebot der Tabakentwöhnung einschließlich eines verhaltenstherapeutischen Programms und der medikamentösen Unterstützung erhalten sollten, wenn sie entwöhnungsbereit sind [1].
  • Diese Beschlüsse wurden mit Schreiben vom 27. April 2012 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das die Rechtsaufsicht führt, beanstandet und in der Folge nicht umgesetzt. Das BMG musste aufgrund gesetzlicher Vorschriften beanstanden: Die medikamentöse Unterstützung (zugelassen sind Nikotinersatztherapie, Bupropion und Vareniclin) darf gemäß § 34 SGB V nicht durch die GKV erstattet werden, da diese Medikation als „Lifestyle-Medikation“ zur Besserung der Lebensqualität eingestuft wird und hierbei etwa Mitteln zur Förderung des Haarwuchses oder zur Besserung der erektilen Dysfunktion gleichgesetzt wird [2].
  • Dass diese Einstufung im Licht der wissenschaftlichen Erkenntnislage und der inzwischen daraus geformten Leitlinien nicht mehr haltbar ist, hatte zur Beschlusslage des Gemeinsamen Bundesausschuss mit Befürwortung der Erstattung geführt. Das BMG jedoch war aufgrund der Gesetzeslage als Rechtsaufsicht-führendes Ministerium gezwungen, die Beschlüsse zu beanstanden. Im Ergebnis konnten danach jedoch nicht nur die medikamentöse Unterstützung der Entwöhnung, sondern auch die Verhaltenstherapie-Entwöhnung, die ebenfalls Teil des GBA-Beschlusses war, nicht umgesetzt werden.
  • Eine breite Initiative von Fachgesellschaften der Inneren Medizin und der Psychologie/Psychiatrie/Suchtmedizin wandte sich aus Anlass des diesbezüglichen Schweizer Gerichtsurteils  – in der Schweiz wurde festgestellt, dass die Tabakabhängigkeit eine behandlungsbedürftige Suchterkrankung mit konsekutiver Erstattungspflicht seitens der Gesetzlichen Krankenversicherung ist – in einem Offenen Brief an das Bundesministerium für Gesundheit, um Entscheidungsprozesse im Sinne einer Vorbereitung zur Gesetzesänderung des die Umsetzung behindernden § 34 zu initiieren [3].
  • Dieser Offene Brief wurde seitens des Bundesministeriums für Gesundheit unbeantwortet gelassen.
  • Da offensichtlich ein öffentlicher Diskurs und der Versuch, auf diesem Wege eine Politikänderung zu bewerkstelligen ins Leere lief, sondierte der Wissenschaftliche Aktionskreis Tabakentwöhnung (WAT) e.V. rechtliche Möglichkeiten zur Verpflichtung des Gesetzgebers im Sinne der inzwischen eindeutigen wissenschaftlichen Lage und Leitlinienlage.
  •  Eine verfassungsrechtliche Sondierung, die Frau Prof. Brosius-Gersdorf/Hannover in einem Exposee einer rechtlichen Würdigung erstellte, zeigte,  dass die Aussicht auf eine Durchsetzung des Anliegens beim Bundessozialgericht aussichtsreich ist [4].
  • Auf dieser Basis bildete sich ein Unterstützer-Kreis, der einen Fond zur Umsetzung eines solchen Klageverfahrens einrichtete. Dieser in seiner Finanzierung strikt Industrie-frei gehaltene Fonds erhielt von wissenschaftlichen Gesellschaften, Stiftungen, Verbänden und Einzelpersonen Einzahlungen, die eine Umsetzung des Klageverfahrens ermöglichen.
  • Die Erstellung des verfassungsrechtlichen Gutachtens für das Klageverfahren wurde nach Sicherstellung der Finanzierung beauftragt
  • Eine renommierte Anwaltskanzlei hat sich bereit erklärt, das Verfahren durch die Instanzen zu führen.

 

Quellenangaben:

  1. GBA, Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Empfehlungen zur Aktualisierung der Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Patientinnen und Patienten mit chronischen obstruktiven Atemwegserkrankungen, Teil I: Asthma bronchiale. 2012.
  2. BMG, Stellungnahme zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses gem. § 91 SGB V vom 16.02.2012. Schreiben des BMG an den gBA, 2012.
  3. Batra, A., Hering T., et al., Offener Brief an das Bundesministerium für Gesundheit, 2012.
  4. Brosius-Gersdorf, F., Gesetzes- und Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V) und des § 22 Abs. 2 Psychotherapierichtlinie, in Exposé einer verfassungsrechtlichen Beurteilung 2012

 

Thomas Hering/Anil Batra/Stefan Mühlig